Lebenslange Leidenschaft für den Kreuzstrich – der Zeichner Jan Hillen

Als „Erftstricher“ sorgte der Illustrator in der Altstadt Kaster zunächst für Verwirrung

Wenn er sonntags in der Hauptstraße 27 seinen Publikumsstopper vor die Tür stelle, fülle sich sein Haus schnell mit kunstbeflissenen Ausflüglern, schildert Jan Hillen. Für diese Sorte Laufkundschaft, die gleichermaßen Küchen- und Ausstellungsraum im Erdgeschoss bevölkerten, halte er im „Atelier Jan Hillen“ für den Verkauf Originalzeichnungen sowie Reproduktionen in allen möglichen Größen vom Plakat bis hin „zu Postkarten direkt vom Erzeuger“ bereit. Die seien übrigens gar nicht teuer.

Endlich „frei schaffender Künstler“

Seit 2016 lebt der vierfache Familienvater Jan Hillen in dem kleinen Haus in der malerischen Altstadt Kasters, die ein beliebtes Ziel für Erfttouristen ist. Sein Werbeaufkleber für seinen Instagram-Auftritt namens „Erftstricher“ am Briefkasten habe in der Nachbarschaft anfänglich für einige Verstörung hinsichtlich des ausgeübten Gewerbes im alten Haus gesorgt. Dabei entstehe nun mal seine Kunst „Strich für Strich an der Erft“, das sei nicht zu übersehen, schmunzelt er.

Endlich sei er nach frühen Ausflügen in die „Alchemie des Zeitungmachens“ als Druckvorlagenhersteller und später noch in der elektronischen Bildbearbeitung einer Neußer Druckerei in den Fußstapfen seines Vaters angekommen, der seinem Broterwerb als „frei schaffender Künstler“ nachgegangen sei.

Geduld und Spucke braucht es im Umgang mit den Tuschestiften.

Wer sich im Erdgeschoss des renovierten Altbaues umschaut, erlebt in den Bildern eine wahre Leidenschaft des 52-jährigen für den Kreuzstrich. Es ist jene Schraffur, die er Rotring-Tuschestiften entlockt, die einstmals auf jedemZeichentisch eines Architekten zu finden waren. Viele seiner Lieblingsstifte unterschiedlicher Dicke, seien ziemlich alt, „die muss man erst einmal in Gang bringen“, erzählt Hillen. Immer wieder habe er sie, einmal eingetrocknet, buchstäblich mit viel Geduld und Spucke zu neuem Leben erweckt.

Die Tuschestifte, ein weißes Blatt Zeichenpapier und eine helle Lampe über dem Küchentisch, mehr brauche er nicht, um aus verschieden dicht gesetzten Strichen, seine Figuren in atmosphärischen Lichtstimmungen auszuformen. Dabei folge er beim Zeichnen seinem „inneren Auge“.

Ein Auge, das in der Lage sei, die üblichen, alltäglichen Gewohnheiten perspektivischen Sehens über Bord zu werfen, zugunsten einer anderen Sehweise, einer visionären Kraft für die Dinge zwischen Tag und Traum. Da erscheinen in einer zwielichtigen Reihe von Straßenlaternen, an denen Rankpflanzen emporwuchern – eine Impression einer seiner vielen Reisen in die Bretagne – seltsame Menschenwesen, ein menschlicher Werwolf scheint mit einem überdimensional vergrößerten Hosenbein aus dem Bild geradezu auf den Betrachter zutreten zu wollen und in der schillernden Gicht einer Meereswoge zeichnet sich unvermittelt Kamm und Kopf eines Hahnes ab. „Wasserhahn“ nennt Hillen das Bild ganz ohne Pathos, wohl wissend, dass er da einen surrealen Kunstgriff anwendet.

Ohnehin frage er auf diese Art und Weise gerne nach der Deutung und Bedeutung von Worten, es sei eine Art Spiel, dem er sich hingebe. Und er deute Begriffe wie „Eisprung“, „Blutmond“ neu, zeichne den „Nationalelf“ oder „Scheinheilig“. Es sind Zeichnungen, die den Betrachter unversehens verblüffen.

Oder er spiele ganz bewusst mit den Vorgaben des Gruselromans wie bei einer ganzen Serie von Gespenstern und Werwolffiguren für die zwei Bücher „Sagenhafte Geschichten“, die er zusammen mit dem Grafikdesigner Helmut Coenen und der Textautorin Monika Gitz gestaltet habe.

Andere Motive, gerne auch solche, die von Erotik in einer technisierten Welt gleichzeitig als Sehnsucht,Bedrohung und Perversion erzählen, findet er für das Dürener Science-Fiction Magazin „Exodus“.

Die Kreuzschraffur als eine der typischen Techniken der Cartoonisten und Comiczeichner hat Jan Hillen schon mit den ersten Skizzen des Comicbuches „Schwarzmarkt“ im Jahr 1992 autodidaktisch zu einem eigenen Stil entwickelt. Drei Ausgaben des damaligen Alternativcomics mit Zeichnungen von Patty Rieve, Oli O. und Thomas Zydeck seien gedruckt worden, erinnert sich Hillen.

Als Mahner oft Naserümpfen geerntet

Über damals schon bildhaft formulierte Warnungen vor Atom- und Umweltkatastrophen aber auch rechte Gesinnung habe Anfang der 1990er noch so mancher die Nase gerümpft, weiß Hillen. Warnungen, die aus heutiger Sicht ins Schwarze getroffen hätten. Als schwarzweiße Aufklebsticker hätten es damals die Anti-Nazi Cartoons bis auf die Klowände linker Hamburger Szenekneipen gebracht.

Aber nicht immer müsse es düster sein. Da präsentiert er den Bedburger Löwen als fröhlich, bunt coloriertes Wappentier auf dem Skateboard, eine Auftragsarbeit für die Schlossstadt. Oder er zeigt die nur auf Umrisslinien aufbauende Arbeit „Die kleine grüne Eule aus dem Fachwerkhaus“, ein Malbuch für Kinder, entstanden im Auftrag der Kinderstiftung Lesen bildet.

Hier kann man fünf Seiten aus dem Malbuch immer noch runterladen, auch wenn der Einsendeschluss des damit verbundenen Malwettbewerbs schon verstrichen ist: https://www.kinderstiftung-lesen-bildet.de/malwettbewerb

Ausflüge in die bunte Welt der Acrylmalerei, des Umgangs mit Fotografie und Textilien habe er außerdem mit der Kunstgruppe der „Elf im Glashaus“ gemacht, die seit 2018 wegen des Umbaus des ehemaligen Toom-Markt ohne feste Lokalität ist. Eines seiner Werke, angefertigt mit Acryl und Pinsel aus jener Zeit namens „Martha Phahl“ sei immer noch auf einer der verbliebenen Säulen des Hauses verewigt.

Hillens Arbeit auf einer Säule des ehemaligen Toommarkt erinnert noch an die Ausstellungsfläche der „Elf im Glashaus“.

Ob Jan Hillen auch einen Einfall zu Corona gehabt hat? Anfang März habe er in sein Skizzenbuch (siehe Aufmacherfoto) eine undeutliche Bedrohung, eine Art Ungeheuer gemalt, das sich riesenhaft über den Meereshorizont erhebt. Ob er damals die erst noch kommenden Geschehnisse der Corona-Pandemie bereist vorweggenommen habe? Er wisse es nicht, sagt der Zeichner. 

https://www.instagram.com/erftstricher/

https://www.janhillen.de/

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