Blauer Mond in der Milchbar

Berühmte Brühler Kneipe wird im Freilichtmuseum wieder aufgebaut

Teil 1 der Milchbar-Geschichte

Teil 2: Abtransport um Zentimeter und Teil 3: Milchbar feiert im Museum 65.Geburtstag

Innenraumfoto und Außenansicht Archiv Fritz Neff mit freundlcher Genehmigung von Hans J. Rothkamp

„Ich komme nach Kommern“ lange verkündete ein großflächiges Plakat an der Außenmauer wohin die Reise die ehemalige Gastwirtschaft von Mike Smith in der Carl-Schurz-Straße führen mochte. Als „Milchbar“ war die Kneipe bis zuletzt bei ihren Kunden bekannt.

Und das obwohl zur Schließung am Jahresende 2017 weder der geschwungene Schriftzug in weißem Neon über der Eingangstür, noch die ursprüngliche blau-weiße Lackierung des alten Bartresens noch an die einstige Milchbar aus den 1950er erinnerte. Vielmehr dominierte Beige, dunkles Rot und die Coverkunst zahlreicher Langspielplatten wie den Rolling Stones, Santana, Jimi Hendrix und vieler anderer die Wände der Kneipe.

Marktplatz Rheinland

Noch diesen Sommer soll das eingeschossige Gebäude ins Freilichtmuseum Kommern umziehen. Dort soll es als Bestandteil eines Ensembles von Gebäuden namens „Marktplatz Rheinland“ wieder aufgebaut werden, die die Zeit zwischen 1945 und 1990 widerspiegeln. Ein Quelle- Fertighaus aus den 1960er Jahren, ein typischer Flachdachbungalow aus den 1950er Jahren, sowie eine Eifeler Gaststätte in der Ausstattung um 1974 oder ein Asylheim aus den 1990er Jahren sind dort schon zu besuchen.

Gleich zwei Zeitschnitte wollen die Historiker des Landesmuseums für Volkskunde nach entsprechender Restaurierung in der Milchbar wieder sichtbar machen. Zum einen den Blick in die Mitte der 1950er Jahre mit der ursprünglich beabsichtigten Nutzung als Milchbar. Ein anderer soll den Wandel zur Musikkneipe in den 1970er Jahren zeigen.

„Die Musik war gut und die Kneipe rappelvoll.“

Marie Trimborn, Mike Smiths gute Freundin

Eine Ära, die Wirt Mike Smith bis zuletzt mit Konzerten zelebrierte. Sein letztes feierte er mit einer Rockband am 29. Dezember 2017. „Die Musik war gut und die Kneipe rappelvoll“, erinnert sich eine gute Freundin, Marie Trimborn, die noch den Garten nebenan unterhält, umso überraschender sei für sie sein plötzlicher Tod. Nur wenige Tage später starb Mike Smith im Alter von 64 Jahren. Die Erbin, seine Schwester Ellen entschließt sich das Grundstück zu verkaufen. Der sie beratende Rechtsanwalt Herbert Poetes ist nicht nur ein Schulfreund des verstorbenen Wirtes, sondern auch dessen langjähriger Gast und verfügt als Vorsitzender der Brühler Museumsgesellschaft über einen Sinn für geschichtsträchtige Gebäude. Er machte die Historiker des Landschaftsverbandes Rheinland auf die „Milchbar“ aufmerksam.

„Eine ganz normale Gaststätte und Treffpunkt etlicher mehr oder weniger prominenter Brühler.“

Herbert Poetes, , Schulfreund des Wirtes

Poetes erinnert sich an die Milchbar, der 1960er als Hochburg der Brühler Motorradrocker, die ihre großen Maschinen auf dem Parkplatz nebenan parkten. Da sei in der Milchbar neben Getränken auch Essen serviert worden und die Gäste tanzten zum Rock ‚n‘ ‚Roll aus der Musikbox. Später sei die Milchbar „eine ganz normale Gaststätte und Treffpunkt etlicher mehr oder weniger prominenter Brühler geworden“, so Poetes.

Partystimmung (Foto aus dem Archiv von Herbert Poetes)

Die 87-jährige Elisabeth Beils erinnert sich noch an die Ursprünge der Milchbar, die ihre Eltern Josef und Gertrud Eich im hinteren Teil des Gartens ihres Hauses in der Mühlenstraße Mitte der 1950er Jahre errichteten. „Wie eine Bombe“ sei die Milchbar eingeschlagen, nachdem in Köln Milchbars bereits „groß in Mode“ gewesen seien, schildert sie. Mit ihrer Schwester und der Kusine Marlene Vogel habe sie hinter der Theke gestanden, ganz schick in weißenServierschürzen. „Die Frauen schlürften gerne Milchmixgetränke im schicken Kleid, die Herren im Anzug ein Becks aus der Flasche. Aus der Jukebox sang die Valente den Casanova“, erinnert sich Beils.

„Die Frauen schlürften gerne Milchmixgetränke im schicken Kleid, die Herren im Anzug ein Becks aus der Flasche. Aus der Jukebox sang die Valente den Casanova.“

Elisabeth Beils

Mittelpunkt der Gaststube sei die große, weiß-blaue Kühltheke der Firma Caracciola gewesen. Dort habe sie anfänglich Speiseeis vom Bäcker Paul Scheel nebenan serviert, Vanille, Schokolade und Erdbeere, das Bällchen zu zehn Pfennig. Dazu mixten sie Zutaten wie Mokkamilch mit Orange zum Flip, aus Vanilleeis und weißem Curaçao den „Weißen Traum“ oder den „Blauen Mond“, mit blauem Likör und Zuckerrand. Die Schwester Gertrud habe die Milchbar mit ihrem Gatten, dem Engländer William Smith weiter betrieben.

Innige Beziehung

Wie innig die Beziehung der Brühler zu ihrer Milchbar gewesen ist, erlebten die Geschichtsforscher im letzten Jahr immer dann, wenn sie zur Sichtung des Bestandes in der Kneipe die Rollladen der Gaststätte lüpften. Viele Neugierige hätten auf der Schwelle gestanden, um noch einmal einen Blick in die vertrauten Wände werfen zu können oder ein Andenken ergattern zu können, schilderten Carsten Vorwig zuständig für Haus- und Bauforschung und Sabine Thomas-Ziegler vom Bereich für Sammlung und Ausstellung.

Für den Leiter des Museums, Josef Mangold, ist das ein Zeichen doch den richtigen Riecher gehabt zu haben. Ein solches Verhalten untermauere nämlich die These, die Milchbar sei ein wichtiger Treffpunkt in Brühl gewesen und damit die Wertigkeit des Erhaltes der Räumlichkeiten. Längst haben die Historiker das Innenleben der ehemaligen Milchbar, die historisch relevanten Stücke aus dem Gastraum, dem anschließenden Billiardraum und dem zur Straße liegenden Kioskfenster ins Archiv des Landesmuseums gebracht und eine Dokumentation des Ist-Zustandes angefertigt.

Authentische Darstellung

Jetzt wartet das Gebäude noch auf die Demontage. Wand für Wand soll die Milchbar ins Freilichtmuseum transportiert werden. Weitere Erkenntnisse über die farbliche Gestaltung und die verwendeten Materialien aus vergangenen Zeiten erhofft sich Vorwig aus der Untersuchung der einmal vor dem Abrissbagger geretteten Wände. Neben historischen Fotos sei es eine der Grundlagen für die authentische Darstellung der Räume in ihrer frühen Phase. 

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