Ein Zylinderhut an einer Mikrofonangel könnte sich überraschend ins Blickfeld schieben, ausreichend tief für alle möglichen Zahlungen, darauf bereitete die Sängerin der Band Pocketradio, Ina Müller, ihre Zuhörer und Zuhörerinnen auf dem Marktplatz vor: „Nicht erschrecken, nicht reinbeißen, einfach Geld reinschmeißen.“ Es waren Titel wie „Kids“, „My Sharona“ oder Little Richards „Good Golly, Miss Molly“, die das einheimische Septett zum Besten gab.
Sonst hatte es geheißen „Auf… Bedburg!“, jenes Benefizkonzert im März, in dem Bands der Schlossstadt schon zwölf mal für sozial bedürftige Familien mit der Hutsammlung durch die Restaurationen tingelten. Diesmal hieß es: Hutsammlung für Berufsmusiker „Aus Bedburg!“.
Die Coronauflagen im Konzertbetrieb sollen nicht das Ende der Jamsession sein, jedenfalls wenn es nach ihrem Gründer geht. Wolfgang Härtel hob sie im August 2007 mit einem Konzert in der damaligen Thorrer Gaststätte „Loher Eck“ aus der Taufe. Als Reaktion auf die „tote Szene“ in der damaligen Kreisstadt Bergheim, sei die Jamsession damals gedacht gewesen, erinnert er sich.
Manchmal ist eine Ämterhäufung sogar von Vorteil. Da ist nämlich Dieter Kirchenbauer der musikalische Leiter der Sommerkonzerte der Stadt Elsdorf am Forum Terra Nova. Und gleichzeitig ist der Mann sowieso an der Schlaggitarre des Kohberg Orchesters Köln beschäftigt. Nur so hat er zum sechsten und letzten Konzert der „Musik mit Aussicht“ den Zuhörern, die zahlreich zum Openair-Konzert an der Tagebaukante gekommen waren, einen ausgewählten Leckerbissen kölnischer Lebensart präsentieren können.
Der gemeinsame Nenner in der „musikalischen Sozialisation“
Hätten nicht alle gewusst, dass später auch noch Purple Schulz auf die Bühne kommen würde, so hätte es mit Songs von der LP „Rubber Soul“ wie „Norwegian Wood“ oder „Nowhere Man“ und Dieter Kirchenbauer an der akustischen Gitarre wie ein langer Abend am Lagerfeuer werden können.
Veranstalter im Corona-Lockdown setzen ein flammendes Zeichen
Für flammende Botschaften, einschlägiges Gewerbe, für Listen bedrohter Arten und als Signal für höchste Gefahr hält die Farbe Rot bei uns her. Bei Rot droht tödliches Verderben, gehen wir auch nur einen Schritt weiter.
Rot erstrahlt in der Nacht zum Dienstag auch die Brühler Kornkammer. Als „tot“ beschreibt der Betreiber Rüdiger Tillmann derzeit seinen Veranstaltungsbetrieb. Die Liste der abgesagten Veranstaltungen sei lang.
Mit seiner Frau Magdalena habe er seit 2017 den Veranstaltungsraum aufgebaut, ausgestattet mit Bühne, Licht und Soundanlage für Konzerte, Lesungen, Tanzveranstaltungen aber auch Trauungen. In diesem Jahr habe der Laden zu Füßen des ehemaligen RAIBA-Kornspeichers in der Kurfürstenstraße zum ersten Mal Gewinne versprochen.
Am Freitag, den 13. März 2020 habe er dann eine ausgebuchte Tanzveranstaltung „Tanzen über 50“ absagen müssen, sicherheitshalber, wegen Ansteckungsgefahr, sagte Tillmann. Seitdem sei die Kornkammer geschlossen, seine Frau und er lebten von den Rücklagen, die eigentlich als Vorschusszahlungen für Musiker und Schauspieler bei Auftragsvergabe anfallen, oder zur Deckung monatlicher Kosten dienten..
Auf der roten Liste: die Kornkammer in der Brühler Kurfürstenstraße.
In Rotlicht tauchte Rüdiger Tillmann in der Dienstagnacht die Fassade seines Veranstaltungsbetriebes, so wie viele, viele andere aus der Veranstaltungsbranche. Über 9000 illuminierte Gebäude in Deutschland wies die Karte der Night of Lights 2020 auf. In Köln sind es auch der Dom oder die Hohenzollern Brücke. Aus vielen Wohnzimmern leuchtet es in der Nacht zum Dienstag rot.
Rot waren vielfach auch Orte, die bedroht sind zumindest als Veranstaltungsfläche, zusammen mit ihren Betreibern, gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden, sollte der Lockdown für Veranstalter noch länger andauern. Dazu zählen Orte wie beispielsweise die Bühnen des Frechener Harlekin-Theater und des Pulheimer Walzwerks.
Musiker Dieter Kirchenbauer erinnerte in seinem Studio an diejenigen abseits der großen, subventionierten Bühnen.
Auch der Bedburger Musiker Dieter Kirchenbauer hat die Schaufenster seiner Studioräume rot beleuchtet. Er wolle Solidarität mit dem Appell der Veranstalter zeigen. Er mache aber auch auf die Situation von Musikern und Schauspieler aufmerksam. Der große Teil arbeite ohne die geregelten Arbeitsverträge der großen, auch in Coronazeiten subventionierten Bühnen. Soforthilfemaßnahmen zum Auffangen von Betriebskosten seien an ihrem Budget vorbei geflossen. „Viele Freiberufler sind im freien Fall“, sagte Kirchenbauer.
In Bedburg tauchen die versammelten Veranstaltungstechniker der Stadt das Schloss in rotes Licht. Hier macht auch Dominique Hermann mit, Soloselbstständig, verheiratet, drei Kinder. Während andere einen Totalausfall der Geschäfte beklagten, könne er sich noch glücklich schätzen. Als Techniker begleite er die Kölner Rockband „Brings“ zu ihren Auftritten in die Autokinos, damit komme die Familie so gerade über die Runden.