Foto: Bedburger Kulturszene beim „Remember Woodstock“-Festival im Sommer 2019.
Es ist so schade, gerne hätte ich mir Gerd Köster angeschaut. Jener Sänger, der einem selbst die Tristesse eines lästigen Nikotinentzugs mildern kann – man denkt dann einfach nicht mehr dran. Der sprachgewaltige Poet der Kölschen Mundart, der sich in seinen Auftritten sichtlich auch als Genießer des gleichnamigen Obergärigen zeigt, wirft in seinen Texten einen feinen, wie heilsamen Blick in den Wahnsinn des Alltäglichen. Im Trio mit den Gitarristen Frank Hocker und Helmut Krumminga hatte er eigentlich am ersten Donnerstag im November in den Pulheimer Köster-Saal zum neuen Programm namens „Wupp“ eingeladen. Da wäre es um eingekölschte Coverversionen ihrer Lieblingslieder von Ray Davis, Rod Stewart über Iggy Pop und Tom Waits bis Frank Zappa gegangen. Ob er dabei auch passende Worte zur Kulturkrise gefunden hätte?
Veranstalter im Corona-Lockdown setzen ein flammendes Zeichen
Für flammende Botschaften, einschlägiges Gewerbe, für Listen bedrohter Arten und als Signal für höchste Gefahr hält die Farbe Rot bei uns her. Bei Rot droht tödliches Verderben, gehen wir auch nur einen Schritt weiter.
Rot erstrahlt in der Nacht zum Dienstag auch die Brühler Kornkammer. Als „tot“ beschreibt der Betreiber Rüdiger Tillmann derzeit seinen Veranstaltungsbetrieb. Die Liste der abgesagten Veranstaltungen sei lang.
Mit seiner Frau Magdalena habe er seit 2017 den Veranstaltungsraum aufgebaut, ausgestattet mit Bühne, Licht und Soundanlage für Konzerte, Lesungen, Tanzveranstaltungen aber auch Trauungen. In diesem Jahr habe der Laden zu Füßen des ehemaligen RAIBA-Kornspeichers in der Kurfürstenstraße zum ersten Mal Gewinne versprochen.
Am Freitag, den 13. März 2020 habe er dann eine ausgebuchte Tanzveranstaltung „Tanzen über 50“ absagen müssen, sicherheitshalber, wegen Ansteckungsgefahr, sagte Tillmann. Seitdem sei die Kornkammer geschlossen, seine Frau und er lebten von den Rücklagen, die eigentlich als Vorschusszahlungen für Musiker und Schauspieler bei Auftragsvergabe anfallen, oder zur Deckung monatlicher Kosten dienten..
Auf der roten Liste: die Kornkammer in der Brühler Kurfürstenstraße.
In Rotlicht tauchte Rüdiger Tillmann in der Dienstagnacht die Fassade seines Veranstaltungsbetriebes, so wie viele, viele andere aus der Veranstaltungsbranche. Über 9000 illuminierte Gebäude in Deutschland wies die Karte der Night of Lights 2020 auf. In Köln sind es auch der Dom oder die Hohenzollern Brücke. Aus vielen Wohnzimmern leuchtet es in der Nacht zum Dienstag rot.
Rot waren vielfach auch Orte, die bedroht sind zumindest als Veranstaltungsfläche, zusammen mit ihren Betreibern, gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden, sollte der Lockdown für Veranstalter noch länger andauern. Dazu zählen Orte wie beispielsweise die Bühnen des Frechener Harlekin-Theater und des Pulheimer Walzwerks.
Musiker Dieter Kirchenbauer erinnerte in seinem Studio an diejenigen abseits der großen, subventionierten Bühnen.
Auch der Bedburger Musiker Dieter Kirchenbauer hat die Schaufenster seiner Studioräume rot beleuchtet. Er wolle Solidarität mit dem Appell der Veranstalter zeigen. Er mache aber auch auf die Situation von Musikern und Schauspieler aufmerksam. Der große Teil arbeite ohne die geregelten Arbeitsverträge der großen, auch in Coronazeiten subventionierten Bühnen. Soforthilfemaßnahmen zum Auffangen von Betriebskosten seien an ihrem Budget vorbei geflossen. „Viele Freiberufler sind im freien Fall“, sagte Kirchenbauer.
In Bedburg tauchen die versammelten Veranstaltungstechniker der Stadt das Schloss in rotes Licht. Hier macht auch Dominique Hermann mit, Soloselbstständig, verheiratet, drei Kinder. Während andere einen Totalausfall der Geschäfte beklagten, könne er sich noch glücklich schätzen. Als Techniker begleite er die Kölner Rockband „Brings“ zu ihren Auftritten in die Autokinos, damit komme die Familie so gerade über die Runden.