Bühne für große Gefühle
Zunächst schien sich Claudia Glocksin ihrer Gefühle nicht sicher. Sei sie nun froh über die Gelegenheit zum Auftritt der Band Tango de Minas im Medio Rhein-Erft an diesem Freitagabend? Oder doch eher traurig, wenn sie an die vielen Konzerte denke, die im nächsten Monat wieder ausfallen werden.
Die Pianistin Glocksin, die Sängerin Ursula Cuesta, die Cellistin Johanna Stein, Katharina Stashik an Alt- und Baritonsaxofon und Gaby Jüttner, Schlagzeug und Percussion entschieden sich dafür, das letzte Konzert vor dem zweiten Lockdown zu genießen. Und so schenkten sie ihrem Publikum viel Spielfreude, virtuoses Können, jazzige Improvisationen und ganz große Gefühle. Sie zogen ihr Publikum in den Bann der wohl herzzerreißendsten, schmerzvollsten und leidenschaftlichsten Musik, die es mithin zu hören gibt, den Tango.
Vertrauliche Ansprache einer großen Familie
Weil gerade so viele Zuhörer sich im großen Saal verteilten „wie in einer großen Familie“, entschied sich Glocksin für einen vertraulichen Tonfall in der Ansprache des Publikums. Für einen kurzen Gruß ins Publikum ließ sie flugs von Schobbe Vois an der Technik das Saallicht einschalten und Sängerin Ursula Cuesta stellte bald ihre unbequemen roten Pumps auf den Bühnenboden neben den Mikrofonständer, und sang auf Strümpfen weiter. Es war eine Stimmung, in der die Musik der Frauen buchstäblich unter die Haut ging .Übrigens nichts anderes als „Frauen“ heiße Minas in der Tangosprache Lunfardo, liest man auf ihrer Website.
Eine Musik, die die Magie der kleinen Leute in Buenos Aires, wo beispielsweise die Sängerin Tita Merello herkommt, ebenso widerspiegele, wie die Nöte eines türkischen Liebhabers, der sich in eine Frau verliebt, die bereits einem anderen versprochen ist, oder die Stille und Einsamkeit eines finnischen Winters. Das Programm von Tango de Minas warf zu Recht die Frage auf, wo denn wohl eigentlich der Tango geboren sei.
Wo ist der Tango geboren?
Da sang die in Köln lebende Argentinin Ursula Cuesta Lieder wie „Arrabalera“ oder ein wütend artikuliertes „Se dice de mi“ von Tita Merello, die sich vor 80 Jahren aus der Favela zu einigem Ruhm hochgesungen hatte in ihrer Landessprache. Auf Türkisch sang sie die Liebesklage „Mazi kalbimbe bir yaradir“, oder sie beschrieb Gefühlslandschaften in Finnisch nämlich in „Satumaa“, was soviel heißt wie „Märchenland“.
Tita Merello
In kurzen Textübersetzungen ließen sie ihre Zuhörerinnen und Zuhörer die emotionale Tiefe der erzählten Geschichten ausloten. Im traurigen „Los Mareados“ sitzen sich da zwei in einer Kneipe gegenüber und betrinken sich, um den Abschiedsschmerz zu betäuben.
„Es ist uns egal, wenn die Leute lachen und uns die Trunkenen nennen. Jeder hat sein Leid und wir haben unseres. Diese Nacht werden wir trinken, weil wir uns nicht wiedersehen werden.“
Die Band
Der Stimme stellten sich die Instrumentalistinnen als Duettpartnerinnen zur Verfügung. Da nahm beispielsweise die Cellistin Johanna Stein den sehnsüchtigen Klang und das dunkel gefärbte Timbre der Sängerin im Klangrepertoire ihres kehlig gestrichenen Cellos auf. In der Piazolla-Komposition „Otoño Porteño“ stellten sich Cellistin, Gaby Jüttner an Schlagzeug und Percussion und die Pianistin in virtuos ausgearbeiteten Soli unterbrochen von Tuttipassagen vor, einmal ohne Sängerin.
Mit Standing Ovations bedankten sich die Zuhörer bei den Frauen für den gefühlvollen Abend und entlockten dem Ensemble so noch drei Zugaben.
Hier geht es zur Website der Frauenband und akustischen Proben ihrer Kunst.