Bilder machen, um den Verlust der Heimat emotional zu erfassen
Eine der Bildtafeln für eine neue Ausstellung des Fotografen Hubert Perschke zeigt buchstäblich „eine Ecke“ aus dem Umsiedlungsort Manheim. Zwei Fotos geben links den Blick frei in die Berrenrather Straße, rechts in die Bennenwinkelstraße. Das eine Bildpaar stammt aus dem Jahr 2012, das andere aus dem Herbst 2019. Was ihn damals, 2012, eigentlich bewegt habe, mit zwei Bildern eine Art 90 Grad Panorama zu fotografieren, wisse er nicht mehr, ein Zufall, sagt Perschke.
Damals sei er für sein Buch „Unser Manheim“ unterwegs gewesen, habe Straßen, Häuser und Menschen fotografiert, ein Buch, dessen lebendige Schilderung Manheimer Lebens bei den Bewohnern heiß begehrt gewesen sei. Nur wenige, der damals in Eigenregie gedruckten Exemplare, habe er noch übrig.
Den Ort, wo die zwei Bilder Bennenwinkel/ Berrendorfer Straße entstanden, habe er im Herbst 2019 vor allem am Pfosten des Straßenschildes identifizieren können, um das herum sich die Bilder zu spiegeln scheinen, schildert Hubert Perschke. Die zwei neuen Fotos zeigten die gleiche Perspektive mit gleicher Brennweite und aus der für den Fotografen typischen Stativhöhe.
Später erst, bei der Bearbeitung der neuen Bilder am Rechner, habe er sich zur „vorher/nachher“-Fotografie auch anderer Motive entschieden. Viele tausend Aufnahmen seines Archives aus dem Jahr 2012/ 13 schaute sich Perschke noch einmal an. Immer im Hinblick auf die genaue Wiederauffindbarkeit des Kamerastandortes, immer auf der Suche nach markanten Orientierungspunkten in der Landschaft wie die Kirche oder verschwiegeneren Gegenständen, wie Hinweisschilder auf Wasser- oder Gasrohre. Ganz bewusst habe er sich für den Herbst als Aufnahmezeitpunkt entschieden, um die Tristesse des Ortes zu unterstreichen, bei überwiegend bedecktem Himmel habe er versucht mehr „Präsenz im Detail“ herauszuarbeiten.
Dabei habe er sich im heutigen, vor allem durch Brachen geprägten Ortsbild völlig neu orientieren müssen, habe zum Teil bei der Spurensuche alte Straßenkarten gewälzt.
Es ist eine Spurensuche, auf die sich auch die Betrachter der Fotos einlassen. Beim Anschauen begibt sich der Zuschauer unwillkürlich ähnlich wie der Fotograf wie in einem Suchbild noch einmal auf Spurensuche und eine emotionale Entdeckungsreise.
„Ich hatte niemals vor das kaputte Manheim zu fotografieren.“
Fotograf Hubert Perschke
„Ich hatte niemals vor das kaputte Manheim zu fotografieren“, sagt der Fotograf Hubert Perschke. „Ich habe eigentlich vor gehabt, den Ort, so in Erinnerung zu behalten, wie ich ihn 2012 gesehen habe.“ Jetzt versuche er doch den Verlust durch seine Bilder emotional zu erfassen.
Am intensivsten habe ihn der Anblick des zerstörten Schwimmbades berührt, auch hier fotografierte Perschke, diesmal ohne vergleichbare Vorlage aus alten Tagen. Im kleinen Hallenbad, hätten seine Kinder in den 1970er Jahren Schwimmen gelernt, nebenan in der Turnhalle habe er als Buirer selbst Sport getrieben. Dort habe auch der Manheimer Judoverein trainiert, der damals überregional Beachtung gefunden habe.
Viele Bewohner Manheims empfänden den Verlust der Heimat noch intensiver, sagt Perschke: „Ich habe Menschen am Loch stehen sehen, die geheult haben.“ Bezeichnend sei die Wut vieler gewesen, als 2018 plötzlich Waldbesetzer ihre Häuser reaktiviert hatten. Und Hubert Perschke findet auch die danach aufflammende Forderung der Manheimer nach einem möglichst schnellen Abriss verständlich: „Wenn die Häuser weg sind, müssen sie sich damit nicht mehr auseinandersetzen.“
Mit einem hohen Interesse der Manheimer an seiner derzeitigen Arbeit rechnet er diesmal allerdings nicht. Anders als zur Veröffentlichung des Buches „Unser Manheim“ und der viel beachteten Ausstellung, die Perschke auch im Foyer des Düsseldorfer Landtags zeigte hätten viele Manheimer heute mit dem Kapitel abgeschlossen. Das ästhetische Abenteuer des „vorher/ nachher“-Projektes stehe bei ihm im Vordergrund, auch wenn er zu einer kritischen Betrachtung der Frage einlade, ob der Abriss des Ortes heute noch nötig gewesen sei.
Ob Hubert Perschke wohl auch Manheim-neu fotografieren würde? „Wenn ich es von vornherein ausschließen würde, hätte ich ein Vorurteil.“, sagt er. Und wirke Neu-Manheim auf ihn auch so wie jedes andere beliebige Neubaugebiet, so kenne er immerhin Menschen, die versuchten beispielsweise bei der Gartengestaltung an den alten Ort anzuknüpfen.
Danke Oliver. Unter dem Titel „Dividende frisst Dorf“ erscheint in den kommenden Wochen mein Buch mit diesen und anderen Fotos und Wortbeiträgen Betroffener.