Auf www.corona-2020.eu sammelt die Autorin Barbara Siefken Geschichten

Ein Familienfoto mit Charlotta, Olaf, Barbara, Karolina Siefken und Hund Balu hat eine Freundin erst kürzlich aufgenommen.

Unglaubliches festhalten

Die Mehrheit hatte von Corona bislang nur aus den Nachrichten gehört, als für Barbara Siefken die Pandemie schon im persönlichen Umfeld angekommen war. Am 9. März 2020 beginnt ihr Internetblog mit der Schilderung ihrer Kusine Cessi: „Alle Männer stehen auf dem Parkplatz bei unserem Hausarzt und lassen sich testen!“ Just aus Ischgl waren der Partner der Kusine, ihr Schwager und einige Freunde nach Hause gekommen, schildert Barbara Siefken.

Einem Gespräch auf der Terrasse ihres Hauses hat sie zugestimmt. Sie sei dieser Tage vorsichtig, nehme den Aufruf Kontakte zu vermeiden ernst, und überlege sich sorgfältig welche notwendig seien und welche nicht. Der Respekt vor dem Virus komme nicht von ungefähr, sie habe vor 15 Jahren erlebt, wie ihr Mann Olaf nach einer Lungenentzündung von der Beatmungsmaschine hat entwöhnt werden müssen und sie pflege drei Mal die Woche ihre 80-jährige Tante. Wegen ihrer Demenz begegne sie ihr ohne Mundschutz. Da könne sie sich keine Infektion leisten.

Erste Fotos und Texte auf der schnell gebastelten Internetseite

Hoch ansteckend sei jener Virus, davon erzähle auch die Geschichte der sechzehn Jungs aus der Reisegruppe, die Anfang März in einer Après Ski Bar in Ischgl gefeiert hätten. Elf von ihnen seien krank geworden. Das sei zu einer Zeit gewesen, als noch viele der Meinung gewesen seien, beim Corona-Virus handele es sich um eine Fake-Nachricht. „Es ist so unglaublich, was da gerade passiert, das muss ich einfach festhalten“, habe sie damals gedacht. Erste Fotos und Berichte zum Umgang mit der Pandemie, die ihr Freundinnen und Freunde zusandten, habe sie zunächst auf Instagram veröffentlicht, dann habe sie sich im Baukastensystem eine Internetseite gebastelt.

„Erst im Nachhinein werden wir diese Zeit bewerten können.

Barbara Siefken

Die zentrale Botschaft der Internetseite www.corona-2020.eu lautet bis heute: „Erst im Nachhinein werden wir diese Zeit bewerten können. Teilt Eure Geschichten! Bitte schickt mir Eure Gedanken und Erlebnisse! Gerne mit Fotos.“ Bis zu sechs Situations- und Erfahrungsberichte habe sie damalstäglich in vielen, vielen Stunden bearbeitet und hochgeladen. Sie sei während des ersten Lockdowns auf viele Menschen getroffen, die froh gewesen seien, ihre Geschichten am Telefon zu erzählen oder per Mail los werden zu können.

Zeitgeschichte dokumentieren

Die Umstände seien für das Zusammentragen einer Zeitdokumentation günstig gewesen. „Alle saßen ja zu Hause“, so wie sie selbst, erinnert sie sich. „Ich hatte Zeit und den Eindruck, ich nutze sie sinnvoll.“ Ihre zwei Töchter hätten ihre Tage mit ihren Freunden mittels Social Media verbracht. Ihr Mann habe länger als sonst im Home Office gearbeitet.

Im Interesse des dokumentarischen Charakters habe sie die Beiträge auch nicht weiter bewertet oder zensiert, erzählt die Journalistin, erprobt in der Berichterstattung für Tageszeitungen, Reise- und Frauenmagazine, sowie Radio. Jedenfalls so lange in den Beiträgen niemand beschimpft oder gefährdet werde, sagt sie. Nur extreme Behauptungen, die offenkundig mit der Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun gehabt hätten, habe sie von der Veröffentlichung zurückgezogen. Da sei es beispielsweise um Annahmen gegangen, die Bundesregierung treffe ihre Corona-Entscheidungen in 10 Kilometer Höhe in einem Flugzeug oder Bill Gates sei an allem Schuld.

Von kranken wie gesunden Menschen handelten die Beiträge, von Familien im Lockdown, von überforderten Gesundheitsämtern, Unternehmern und Restaurantbesitzer, die die Krise mit wirtschaftlichen Einbußen hinnehmen oder vom Kinobesitzer Bernd Schmitz, der ohne die gewohnten Vorstellungen vor dem Haus immerhin Popcorn aus der eigenen Maschine verkaufte.

Als „ Nina“ meldet sie sich selbst zu Wort

Sie erzählen von einem Himmel ohne Kondensstreifen, von Wanderungen auf sonst viel befahrenen Bundesstraßen, von überforderten Müttern im Home-Office, abgesagten Hochzeiten und Todgeweihten, die einsam sterben mussten, weil es nicht ausreichend Schutzkleidung gegeben habe. Einer Lehrerin hat die Vorsitzende des Fördervereins der Europaschule eine eigene Rubrik gewidmet. Sie selbst meldet sich mit eigenen Eindrücken bisweilen als „Nina“ zu Wort.

In der „Gastredaktion Blatt-Gold“ lässt sie behinderte Menschen zu Wort kommen, die sonst in den Werkstätten der Gold-Kraemer-Stiftung arbeiten. „Für sie ist ein Lockdown eine Katastrophe, wenn sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen können. Sie brauchen dringender noch als andere ihre Herzensmenschen.“, sagt Barbara Siefken. Für manche habe die Zeit ihr Gutes gehabt, den Kontakt zu Nachbarn oder zur Familie intensiviert.

Roman für Kinder:

Mia sieht sich einem Rollenwechsel gegenüber, als sie mit den Eltern aus der Kölner Villa mit Pool in ein windschiefes Häuschen im Sauerland zieht und in ollen Klamotten vor ihren neuen Klassenkameraden steht, verrät der Klappentext zum Buch „Mias geheimnisvolles Jahr“.

Die Dokumentation der ersten 15 Wochen gebe vielleicht Stoff für eine Ausstellung oder ein Buch her, sagt Barbara Siefken. Ein Buch hat sie schon geschrieben, den Roman für Kinder „Mias geheimnisvolles Jahr“. Nach acht Wochen Sommerpause mit dem Corona-Blog frage sie jetzt wieder nach Geschichten.

Auslöser sei die Kommunalwahl gewesen. Im Wahllokal habe sie zwei Freundinnen ihrer Tochter Karolina getroffen, die sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hatten und den Kinobesitzer Bernd Schmitz mit Frei-Popcorn für die Wahlhelfer. Da sei ihr wieder klar geworden, wie sensibel diese „immer noch surreal anmutenden Zeiten“ die Menschen für Gemeinschaft gemacht haben. Eines falle aber auch auf, es gebe keinen gesellschaftlichen Konsens mehr, wie noch zu Beginn der Pandemie.

https://www.corona-2020.eu

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