Eine Arena muss jetzt her
„Das Theater ist die Kur der Seele“, gibt die Kölner Schauspielerin Ulrike Kundt zu denken. Eine Kur, die kaum am Fernsehbildschirm gelingen könne, wohl aber noch im Kino. Wie beim Theater gehe es dort über den vermittelten Filminhalt hinaus um den „gleichen Atem vieler“ vor Bühne und Leinwand, etwas zusammen mit anderen zu erleben, und sich dabei gegenseitig zu spüren, zu riechen, zu hören.
Ganz auf Tuchfühlung mit ihrem jungen Publikum sind die Puppenspieler Ulrike Kundt und Joachim Stern auf einem Zeitungsfoto aus alten Tagen zu sehen. Da stehen sie ganz eng mit einem Mädchen zusammen, das die hölzernen Gesichter der Figuren mit den Fingern erkundet. „Das dürfen wir nicht mehr machen, anfassen geht gar nicht. Die Leute dürfen die Figuren nur noch von weitem anschauen“, bedauert Ulrike Kundt. Es sei schade, solche Begegnungen wie im Foto von damals, seien aus Furcht vor Ansteckung undenkbar geworden.
Mikrofone tragen die Stimmen in die Ferne
Mikrofone und Lautsprecher gehörten mittlerweile zu den unentbehrlichen Ausrüstungsgegenständen ihrer Guckkastenbühne. Mit ihrer langjährigen Sprecherfahrung seien sie in der Vergangenheit zwar auch ohne Mikrofon für etwa 350 Leute auf einem Marktplatz zu hören gewesen. Aber um gemäß der gegenwärtigen Corona-Schutzauflagen noch vor Publikum auftreten zu können, „brauchen wir jetzt eine Arena.“ Da sei ein Mikrofon eine willkommene Erleichterung. Auf der Sindorfer Wiese habe es jedenfalls „Spaß gemacht“ zu spielen, „für all die Zuschauer dort“, sagt Ulrike Kundt. Nur, dass sie mit dem Puppentheater zukünftig von Hutsammlungen und Spenden leben könnten, sei eine Illusion.
„Das Theater ist die Kur der Seele“
Schauspielerin Ulrike Kundt
Kulturell ausgehungert
Ergreifende Momente erlebe sie derzeit bei den wenigen Auftritten der letzten Zeit in Kitas. In Räumen, die sonst proppevoll gewesen seien, spielten sie jene Male nur noch vor wenigen Kindern, die zerstreut auf Bänken säßen. „Bitte bleibt da“, bettelten die Kinder beim Abbau der Bühne nicht selten unter Tränen, schildert Ulrike Kundt. Sie erlebe im Moment wie „verarmt, wie kulturell ausgehungert“ ihr sonst recht selbstbewusstes junges Publikum sei. Sie zeigten eine hohe Bedürftigkeit nach Zuspruch, aber auch nach Erlebnissen. Ein Hunger, den sie mit ihrem Theater nicht nur bei Kindern, sondern auch in Erwachsenenvorstellungen zu stillen in der Lage seien.
„Wir sind alle systemrelevant“, mit diesem Satz wendet sie sich entschieden gegen die in der Corona-Krise anfänglich vorgenommene Einteilung systemrelevanter Berufe und Unternehmen auf Kosten der Kulturschaffenden.
Krise als Chance
In der momentanen Krise des Theaters gingen die Großen am ehesten noch unter, jene, die mit großem personellen Apparat schon rein logistisch auf die großen Bühnen und einer Menge Publikum angewiesen seien, das erlebe sie zur Zeit.
Aber auch im Theater SternKundt wisse man nach fast 30 Jahren Puppenspiel nicht, was die Zukunft bringe. Man denke darüber nach, mit dem Fahrrad zu Aufführungen aus der Stadt rauszufahren, Kultur auf dem Land werde derzeit ausdrücklich gefördert. Vielleicht sei aber auch Zeit mit dem Kasperletheater aufzuhören, überlegt Ulrike Kundt, denn: „Die Krise ist auch eine Chance. Wir können über etwas Neues nachdenken.“