Hutsammlung ging diesmal an Berufsmusiker
Ein Zylinderhut an einer Mikrofonangel könnte sich überraschend ins Blickfeld schieben, ausreichend tief für alle möglichen Zahlungen, darauf bereitete die Sängerin der Band Pocketradio, Ina Müller, ihre Zuhörer und Zuhörerinnen auf dem Marktplatz vor: „Nicht erschrecken, nicht reinbeißen, einfach Geld reinschmeißen.“ Es waren Titel wie „Kids“, „My Sharona“ oder Little Richards „Good Golly, Miss Molly“, die das einheimische Septett zum Besten gab.
Sonst hatte es geheißen „Auf… Bedburg!“, jenes Benefizkonzert im März, in dem Bands der Schlossstadt schon zwölf mal für sozial bedürftige Familien mit der Hutsammlung durch die Restaurationen tingelten. Diesmal hieß es: Hutsammlung für Berufsmusiker „Aus Bedburg!“.
Finanzspenden aus dem Kreis der Hörer des gemeinsamen Festivals von Freizeitmusiker:innen und Berufsmusiker:innen gebe es für jene freiberuflichen Musiker:innen, die finanzielle Einbußen durch Corona-Auflagen hinnehmen müssen, erläuterte der Initiator Dieter Kirchenbauer das Konzept, das er bei einer Tasse Kaffee zusammen mit der Frau für Stadtmarketing und Tourismus, Gabriela Leibl, ausgearbeitet habe. Eines, das Bürgermeister Solbach und Kirchenbauer allen Kommunen zur Nachahmung empfahlen.
Treffende Worte habe Kirchenbauer zur Eröffnung des Konzerts gefunden, sagte einer im Publikum, der seit langem als Liedermacher und Maler in der Bedburger Kulturszene verwurzelt ist, Konradin Maria von Wershoven. „Stellt euch vor ihr macht das Radio an und es spielt den ganzen Tag keine Musik“, hatte Kirchenbauer eine Welt ohne Musiker beschrieben und gefragt: „Wieviel ist es euch wert?“
Legende vom brotlosen Künstler
Ein Dutzend Profimusiker:innen in der Schlossstadt erleide erhebliche finanzielle Einbußen durch den Ausfall von Auftritten, unter ihnen würden die Spenden als strukturelle Hilfe aufgeteilt, sagte Dieter Kirchenbauer im Gespräch. Als ein Statement der Anerkennung als „ein Schulterklopfen“ möchte Kirchenbauer die einmalige Hilfe für die Künstler:innen verstanden wissen.
Natürlich schlafe noch keiner der Musiker:innen unter der Brücke, aber es gehe auch darum das typisch deutsche Bild von der „romantischen Armut“ aufzubrechen, die am Ende gar, so die Legende, erst zur künstlerischen Leistung befähige. „Das ist allerdings nicht so schön zu leben“, sagte Kirchenbauer. Auch Scham empfinde manch eine:r über die unverschuldete Misere.
Ungewisse Lebensperspektive
Auf welch ungewisse Lebensperspektive sich beispielsweise eine Sängerin wie Christine Ladda momentan einlässt, verriet sie nur ansatzweise bei ihrem Konzert in den Altstadtstuben. Da sagte sie, sie wisse nicht, ob sie ihren Job als Sängerin bei der RTL Tanzshow „Let´s Dance“ auch nächstes Jahr noch ausüben werde.
Einer der Songs aus der letzten Staffel gab sie mit ihrem Partner Wulf Hanses-Ketteler im Innenhof der Altstadt-Stuben zum Besten. Es war der Dancehit „Can‘t Stop the feeling“ von Justin Timberlake, einmal interpretiert als gefühlvoller Walzer.
Was bringt der Winter?
Gitarrist Wulf Hanses-Ketteler war sich nicht sicher, ob er im kommenden Winter „Gitarren oder Vorräte“ kaufen werde. Er sei mit zusätzlicher Studioarbeit und Gitarrenunterricht nicht „so schlecht“ aufgestellt, die Zahl der abgesagten Auftritte sei aber hoch. Andere, befreundete Musiker brauchten im Moment ihre Altersvorsorge auf. Im Winter rechne er mit einer drastischen Verschlechterung der Auftrittssituation. Openair-Konzerte wie „Aus Bedburg!“, seien dann wohl kaum noch möglich.
Trotz kühler Witterung am Donnerstagabend, genossen viele spendable Gäste bis in den späten Abend die Musik in Außenbereichen von Lokalen wie II Club, der Bedburger Mühle, im Caballito, in den Altstadt Stuben, auf der Marktplatz-Bühne und dem Danielshof in Kaster.
„Alle Bedburger Musiker“ seien zum Musizieren für die freiberuflichen Kollegen zusammengekommen, sagte Kirchenbauer. Die Liste war lang: Saitenwind, Acoustic4U, Thin Crow, Eva Müller, Julia Kropp, Penetration Derby, Pocket Radio, Philipp Schöpe, Gerd Jan Naus, Leon Commandeur, Ralf Schönewald, Shake Hands mit Reinhard Falkenstein, Raphael Monsanto und viele mehr.
Stimmen aus dem Capo
Auch der Nachwuchs aus dem Capo machte mit
Auf der Marktplatzbühne eröffneten junge Stimmen aus dem Jugendzentrum Capo das Konzert. Die Leiterin Anne Sass rief die jüngste, die dreizehnjährige Johanna Schmitz auf die Bühne, den Gitarristen Martin Krake, das Duo Max Schumacher und Nelle Böckem. Und sie kündigte die drei jungen Frauen Sina Siedentop, Julika Sommer und Gitarristin Theresia Schröder (Foto) an. Eigens für das Konzert hatten sie als Trio einige der Lieder einstudiert, mit denen sie eigentlich als sechsköpfige Band ihren Fans vor dem Auftritt der „Recovered Dimension Band“ aus dem Capo einheizen. Unter dem Namen „Youth Authorities“ spielen sie am 6. November auf der Bühne des Medio-Rhein-Erft in der Kreisstadt Bergheim.