Foto: Bedburger Kulturszene beim „Remember Woodstock“-Festival im Sommer 2019.
Es ist so schade, gerne hätte ich mir Gerd Köster angeschaut. Jener Sänger, der einem selbst die Tristesse eines lästigen Nikotinentzugs mildern kann – man denkt dann einfach nicht mehr dran. Der sprachgewaltige Poet der Kölschen Mundart, der sich in seinen Auftritten sichtlich auch als Genießer des gleichnamigen Obergärigen zeigt, wirft in seinen Texten einen feinen, wie heilsamen Blick in den Wahnsinn des Alltäglichen. Im Trio mit den Gitarristen Frank Hocker und Helmut Krumminga hatte er eigentlich am ersten Donnerstag im November in den Pulheimer Köster-Saal zum neuen Programm namens „Wupp“ eingeladen. Da wäre es um eingekölschte Coverversionen ihrer Lieblingslieder von Ray Davis, Rod Stewart über Iggy Pop und Tom Waits bis Frank Zappa gegangen. Ob er dabei auch passende Worte zur Kulturkrise gefunden hätte?
Corona zum Trotz
Der Teil-Lockdown für den November trifft alle, die Vergnügen und Unterhaltung live versprechen und jene, die danach suchen. Damit sind Konzert-, Museum-, Kinobesuche in der nächsten Zeit vom Tisch. Und Zweifel prägt die Szene, ob es Ende November wirklich weitergeht.
Dabei zeigte sich gerade in den letzten Wochen wie Veranstalter mit viel Sorgfalt ihren Verpflichtungen nachkamen sichere Angebote zu machen. Entweder draußen auf Wiesen und an Tagebaukanten oder in gut ventilierten Kulturtempeln, Kirchen und Schlössern ging es mit dem verlangten Abstand zu. Sie registrierten ihre Besucher und schickten sie mit säuberlich desinfizierten Fingern zur Vermeidung von Frontalbegegnungen in ausgeschilderte Einbahnstraßen. Ansteckung mit dem Corona-Virus mittels Tröpfchen und Aerosolen oder Schmierinfektionen hatten da wohl keine Chance.
„Ich verstehe es nicht. Menschen kommen ins Medio, bleiben auf Abstand, erleben die Vorführung im stetigen Luftzug unserer Zu- und Abluftanlage, steigen danach in ihre Autos und fahren nach Hause. Bis jetzt ist mir keine Infektionskette bekannt geworden, die hier ihren Anfang genommen hätte“, sagte Schobbe Vois, Programmdirektor im Medio Rhein-Erft.
Mit dem großen Rasenmäher schließe die Bundesregierung alle Veranstaltungsorte. Eine differenzierte Prüfung sei vielleicht ein angemessener Weg, um den Kultur- und Veranstaltungsbetrieb zu erhalten, der Pandemie zum Trotz, formuliert Schobbe Vois. Die Bundesregierung betone zwar im neuerlichen Lockdown, die Industrie zu schonen, vergesse anscheinend, aber, dass die Zahl der Beschäftigten in der Musik-, Bühnen- und Veranstaltungsindustrie größer sei als beispielsweise in der Bauindustrie.
Schobbe Vois empfiehlt den Videopost des Trompeters und Fotografen Till Brönner, der „Kultur als Menschenrecht“ postuliert aber auch das viele Geld erwähnt, das die Ausübung des Rechtes in die Staatskasse spült:
Till Brönners Solidaritätsappell
„Bach um vier“
Der Blick auf die Mittwochseite der regionalen Tageszeitung verrät bruchstückhaft, was an Genüssen in den nächsten Wochen baden geht. Da wäre „Bach um vier“ in der Brühler Schlosskirche zu hören gewesen, www.schlosskonzerte.de oder das Duo „Hellrick“ im Quadrather Bürgerhaus, www.veranstaltungen-bergheim.de , also der Gitarrist Michael Rick und Sängerin Christine Hellweg mit ihren zu Rockchansons vertonten Texten deutscher Dichterinnen, oder die Lesung von Krimi-Autor Horst Eckert im Wesselinger Rheinforum. Vielleicht schafft man es ja doch noch „Bach um vier“ zu hören, eine Dauerbrenner-Reihe immer sonntags um vier, die noch bis in den Februar geplant ist.
Talk, Musik und Kulinarisches
Mit „News aus Bedborough“ meldete sich auch Dieter Kirchenbauer aus der Schlossstadt Bedburg zurück. Er hatte sich eine neues Format überlegt, um den örtlichen Musikern durch den Winter zu helfen.
Immer sonntags zwischen 18 und 20 Uhr wollte er in den Altstadt-Stuben Talk und Musik mit jeweils einem Gast aus der Szene hinter einer Corona-safen Glasscheiben moderieren, während eine streng limitierte Zahl von Gästen, gesetzt in gebührendem Abstand, sich den kulinarischen Köstlichkeiten des Hauses hingeben darf. Alle 30 Minuten sollte gelüftet werden. Ein Plan, der ab Dezember immer noch greifen könnte.
Für den Auftakt am jetzigen, letzten Oktobersonntag vor dem Lockdown hat er die Sängerin Christine Ladda eingeladen, die er eigentlich nach ihren ersten Schritten in der Musik, dem heftigsten Lampenfieber und den schönsten Gänsehautmomenten auf der Bühne fragen will.
The Last Waltz
Angesichts des November-Lockdowns ist daraus jetzt „The Last Waltz“ geworden. Die vier Künstler:innen der ersten Talkrunden werden am Sonntag gemeinsam in zwei Sets zum letzten Liveauftritt des Jahres spielen: Christine Ladda, Julia Kropp, Wulf Hanses-Ketteler, der Tenor Norbert Conrads und Kirchenbauer selbst.
Online-Wohnzimmer-Konzerte
Die Stadt Elsdorf hatte schon vor der neuen Corona-Tauchfahrt angekündigt, von diesem Wochenende an Stelle von Musik im Präsenzformat wieder zur Veranstaltungsreihe des Frühjahrs zurückzukehren, und jeden Samstag Online-Wohnzimmer-Konzerte anzubieten. Los geht es am Samstag, den 31. Oktober um 20:30 Uhr mit der der Country-Sängerin Jolina Carl.
Jolina Carl, die im beschaulichen Örtchen Berrendorf lebt, stand bereits mit musikalischen Größen wie Mark Alan Cash (Neffe von Johnny Cash), Stan Perkins (Sohn von Carl Perkins) und W.S. „Fluke“ Holland (Drummer von Johnny Cash) auf einer Bühne. „Handmade und unplugged“ sang sie zuletzt Hits der letzten sechs Jahrzehnte bei der Sommerkonzertreihe „Musik mit Aussicht“ am Forum :terra nova.
Wie im Frühjahr, gehe es darum in Online-Konzerten weiterhin Verantwortung für Kulturschaffende zu übernehmen und Künstler:innen nicht alleine zu lassen, so Bürgermeister Andreas Heller.
Die Samstagskonzerte werden ab 20:30 Uhr unter www.facebook.com/stadtelsdorf live gestreamt. In der Konzertreihe spielen Dieter Kirchenbauer (07.11.) und der 90s-Tribute-Band „Westpak“ (21.11.). Infos finden Sie unter www.facebook.com/stadtelsdorf
Hallo Herr Tripp,
gefällt mir sehr, ich habe Ihre Nahbesprechung als Lesezeichen gespeichert.
Viele Grüße,
Heinz Schlagheck
Das finde ich aber toll!