Musiker sind immer alleine

„Little Big Band“ spielte zum ersten Mal wieder vor Publikum

Musiker seien ja sowieso immer allein, die übten ja immer, Quarantäne sei quasi „Normalzustand“, erklärte Gitarrist Thomas Lämmle. Zum ersten Livekonzert in „Hugi’s Bistro“ nach der Corona-Zwangspause freute sich die „Little Big Band“, wie das Duo Lämmle und die Sängerin Veronika „Hugi“ Nemeth sich an diesem Abend gerne nennt, einmal wieder „vor Menschen“ zu spielen.

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Herbert Poëtes ist tot

Nachbar mit einer Ader für altehrenwerte Stadthäuser

Nach kurzer, schwerer Krankheit ist der Brühler Herbert Poëtes am Morgen 19. Juni 2020 gestorben. Ein jähes Ende findet damit unsere kurze Bekanntschaft. Erst im Sommer vor zwei Jahren habe ich ihn als Vorsitzenden des Museumsvereins kennengelernt. Dort gab er sich gleich, ganz verbindlich, als „Nachbar von gegenüber“ zu erkennen. Wenig später schon, saß er an einem Sonntagmorgen – noch vor meiner morgendlichen Bartrasur – bei uns am Küchentisch, recht energiegeladen und in seiner typischen, lebensbejahenden Art. „Man muss doch wissen, mit wem man es zu tun hat“, sagte er da in seinem immer etwas polternden Tonfall.

Damals ging es ihm um den Umzug der Milchbar in der Carl-Schurz-Straße. Als einschlägiges Beispiel einer Wirtschaft der 1950er Jahre wurde sie ja mittels Schwertransport in das Freilichtmuseum Kommern gebracht. Der Erhalt dieser von ihm heiß geliebten und frequentierten Örtlichkeit als Museumsexemplar war eines von vielen Werken, die Herbert Poëtes in Sachen Erhalt von altehrwürdigen Brühler Häusern angestoßen hat.

Denn „Flächensanierung“ habe Ende der 1970er Jahre das Stichwort der Brühler Ratsherren geheißen, als der Kaufhof in die Innenstadt zog, hatte sich Herbert Poëtes bei unserer ersten Begegnung erinnert. Deren Pläne, Häuser abzureißen und  Straßenschluchten als Zufahrt zum Kaufhaus zu erschließen, habe unter der Regie des Künstlers Günter Krüger zur Geburt der Initiative „Rettet Brühl, jetzt“ geführt. Die Kempishofstraße habe man damals zur „Hauptverkehrsstraße“ ausbauen wollen.

„Heute ist die Kempishofstraße zum Aushängeschild der Schlossstadt geworden. Es kam zur Initialzündung für die Nachbarn. Alle fingen an ihre Häuser zu sanieren.“

Herbert Poëtes, Vorsitzender des Museumsvereins

Er sei, damals in seinen jungen 30ern in Demos, beim Verteilen von Handzetteln und bei Aufrufen zu Unterschriftenaktionen im Kampf um den Erhalt von alten Häusern dabei gewesen, erzählte er mir. Die Initiative habe damals herbe Rückschläge einstecken müssen, wie beim Abriss der Villa König am Ende des Mühlenbachs, unter dem Strich aber hatte sie Erfolge verbuchen können. So die Rettung des Hauses Nr. 15 in der Kempishofstraße. Ein altes Fachwerk, „total heruntergekommen und damals hinter Putz“ hatte sich als Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert von einigem historischen Wert erwiesen und soll der Sitz des damaligen Schlossbaumeisters Michael Leveilly gewesen sein.

Die Initiative mündete in der Gründung der Museumsgesellschaft e. V., zu deren Gründungsmitgliedern der spätere Vorsitzende Poëtes zählte. Ein Verein, der über 500000 D-Mark Kapital von der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen zur Renovierung des heutigen Museums für Alltagsgeschichte erhielt und dafür mit der Stadt eine Erbbaupacht über 30 Jahre abschließen konnte.

„Heute ist die Kempishofstraße zum Aushängeschild für die Schlossstadt geworden. Es kam zur Initialzündung für die Nachbarn. Alle fingen an ihre Häuser zu sanieren“, erinnerte sich Poëtes. Ähnlichen Erfolg verbuchte die Museumsgesellschaft beim Haus Nr. 10.

Die ehemalige Stellmacherei einer Privatperson nutzt die Gesellschaft heute als Keramikmuseum mit historischen Exponaten, aber auch als gemütliches Bistro und Café. Seine ehrenamtliche Tätigkeit zum Erhalt der zwei alten Brühler Häuser habe sich gelohnt. „Das ist was Bleibendes“, sagte der Rechtsanwalt für Arbeitsrecht. Er beziehe zwar Rente sagte der damals 65-jährige, aber er arbeite weiter, im Beruf sowie im Ehrenamt: „Sonst ist mir viel zu langweilig und es gibt noch so viel Schönes zu tun.“

Die Farbe Rot

Veranstalter im Corona-Lockdown setzen ein flammendes Zeichen

Für flammende Botschaften, einschlägiges Gewerbe, für Listen bedrohter Arten und als Signal für höchste Gefahr hält die Farbe Rot bei uns her. Bei Rot droht tödliches Verderben, gehen wir auch nur einen Schritt weiter.

Rot erstrahlt in der Nacht zum Dienstag auch die Brühler Kornkammer. Als „tot“ beschreibt der Betreiber Rüdiger Tillmann derzeit seinen Veranstaltungsbetrieb. Die Liste der abgesagten Veranstaltungen sei lang.

Mit seiner Frau Magdalena habe er seit 2017 den Veranstaltungsraum aufgebaut, ausgestattet mit Bühne, Licht und Soundanlage für Konzerte, Lesungen, Tanzveranstaltungen aber auch Trauungen. In diesem Jahr habe der Laden zu Füßen des ehemaligen RAIBA-Kornspeichers in der Kurfürstenstraße zum ersten Mal Gewinne versprochen.

Am Freitag, den 13. März 2020 habe er dann eine ausgebuchte Tanzveranstaltung „Tanzen über 50“ absagen müssen, sicherheitshalber, wegen Ansteckungsgefahr, sagte Tillmann. Seitdem sei die Kornkammer geschlossen, seine Frau und er lebten von den Rücklagen, die eigentlich als Vorschusszahlungen für Musiker und Schauspieler bei Auftragsvergabe anfallen, oder zur Deckung monatlicher Kosten dienten..

In Rotlicht tauchte Rüdiger Tillmann in der Dienstagnacht die Fassade seines Veranstaltungsbetriebes, so wie viele, viele andere aus der Veranstaltungsbranche. Über 9000 illuminierte Gebäude in Deutschland wies die Karte der Night of Lights 2020 auf. In Köln sind es auch der Dom oder die Hohenzollern Brücke. Aus vielen Wohnzimmern leuchtet es in der Nacht zum Dienstag rot.

Rot waren vielfach auch Orte, die bedroht sind zumindest als Veranstaltungsfläche, zusammen mit ihren Betreibern, gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden, sollte der Lockdown für Veranstalter noch länger andauern. Dazu zählen Orte wie beispielsweise die Bühnen des Frechener Harlekin-Theater und des Pulheimer Walzwerks.

Auch der Bedburger Musiker Dieter Kirchenbauer hat die Schaufenster seiner Studioräume rot beleuchtet. Er wolle Solidarität mit dem Appell der Veranstalter zeigen. Er mache aber auch auf die Situation von Musikern und Schauspieler aufmerksam. Der große Teil arbeite ohne die geregelten Arbeitsverträge der großen, auch in Coronazeiten subventionierten Bühnen. Soforthilfemaßnahmen zum Auffangen von Betriebskosten seien an ihrem Budget vorbei geflossen. „Viele Freiberufler sind im freien Fall“, sagte Kirchenbauer.

In Bedburg tauchen die versammelten Veranstaltungstechniker der Stadt das Schloss in rotes Licht. Hier macht auch Dominique Hermann mit, Soloselbstständig, verheiratet, drei Kinder. Während andere einen Totalausfall der Geschäfte beklagten, könne er sich noch glücklich schätzen. Als Techniker begleite er die Kölner Rockband „Brings“ zu ihren Auftritten in die Autokinos, damit komme die Familie so gerade über die Runden.

Editorial zur Nullausgabe des E-Magazins für Musik und Kultur „Nahbesprechung“, am 9. Juni 2020

„Weil wir Kultur brauchen“

Noch im Corona-Lockdown waren immer wieder Meinungen zu hören, die uns die soziale Isolation als geeigneten Zeitraum für Einkehr, Entschleunigung oder Quell eines glücklichen Familienlebens schmackhaft machen mochten. Das wäre ja schön gewesen, insofern ich mich dafür hätte frei entscheiden können. Bei mir ist der Hunger nach Nähe, Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Fühlen, Schaffen und Denken anderer dabei nur gewachsen.

Erstaunlich blass blieben doch in jener Zeit die Ersatzhandlungen für gemeinschaftliches Erleben mittels elektronischer Medien. Ich erinnere mich noch gut, an die wachsende Vorfreude während einer Autofahrt an einem Samstagnachmittag mitten im Lockdown über wie leergefegte Straßen unter einem blauen Himmel völlig frei von Kondensstreifen. Es war Vorfreude auf die Begegnung mit dem einstigen Sänger und Begründer der Wise-Guys, Eddi Hüneke.

Kein Ersatz für Stimmen und Stimmungen

Im Keller des Hürther Einfamilienhauses mit Eddi Hüneke, musste ich erleben wie eine Online-Chorprobe mit Hilfe von Konferenzsoftware bei allem Schwung des Moderators und so liebevoller wie detaillierter Vorbereitung vielleicht eine willkommene Zerstreuung inmitten ereignisloser Zeit sein kann. Sie war kein Ersatz aber, für das Gemeinschaftserleben einer echten Gesangsprobe inmitten der Schwingungen menschlicher Stimmen und Stimmungen.

Der Lockdown führte uns auch die monetäre Situation der meisten Kulturschaffenden vor Augen. Denn ihnen droht Verarmung, wenn das Spiel vor und mit dem Publikum ausfällt, keine Öffentlichkeit mehr möglich ist, wenn Bühnenauftritte oder Ausstellungseröffnungen storniert werden. „Wir leben von der Hand in den Mund“, schilderte mir eine Sängerin in einem Telefonat.

Keine Rückzahlung von Zuschüssen

Dieser Tage schloss sich auch der Kreisausschuss der Initiative des Landrates Michael Kreuzberg zur Förderung der Kulturszene im Rhein-Erft-Kreis an. Auf die Rückzahlung von bereits gezahlten Kreiszuschüssen für Vereinsarbeit, Kulturinstitutionen und künstlerische Projekte will der Kreis jetzt verzichten. Reicht aber ein Verzicht auf Rückzahlung für eine Stützung der Künstler aus, oder sind nicht vielleicht auch von Seiten des Kreises kreativere Ansätze gefragt?

Aber nicht allein die Finanznot treibe Musiker im Wortsinn auf die Straße, nämlich zu Konzerten unter freiem Himmel, sondern „weil wir Kultur brauchen“, sagte die Jazztrompeterin Susanne Riemer bei der Vorstellung eines Hygienekonzeptes für Livekonzerte, präsentiert in ihrem Garten mit ihrem Duopartner, dem Gitarristen Wilhelm Geschwind.

Mit „Nahbesprechung.net“ möchte ich allen Kulturschaffenden und ihrem Publikum einen Ort zur Besprechung ihrer Ideen anbieten und dabei die Dinge aus der Nähe betrachten, besprechen und euch nahe bringen.

Viel Vergnügen beim Lesen, Zuhören und Hinschauen,

wünscht euch Oliver Tripp

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Konzerte mit Abstand unter freiem Himmel

Das Musiker-Duo Riemer/Geschwind hat seinen Plan im Garten ausprobiert

Brühl. Der Anfang des Jahres so gut gefüllte Terminkalender sei durch verschärfte Kontaktregeln geleert, große Konzerthäuser und kleine Klubs blieben geschlossen, schildert der Gitarrist Wilhelm Geschwind einen Zustand, von dem viele Musiker derzeit erzählen. Auch ihre Arbeit mit dem Chor an der Brühler Kunst- und Musikschule ruhe in der momentan verordneten Zwangspause, ergänzt die Jazzerin Susanne Riemer. 2000 Euro, die die Bezirksregierung zum Auffangen geplatzter Konzertverträge überwiesen habe, reichten auch nicht ewig.

So könne es nicht weitergehen, ist sich das Duo Riemer/ Geschwind einig. Im Garten der Jazztrompeterin trafen sie sich zu einem ersten Ausprobieren eines neuen Konzertkonzeptes, das sie „Brot und Stühle“ getauft haben, und zwar unter „virenfreien, offenem Himmel“, wie Wilhelm Geschwind formuliert. Und das unter Berücksichtigung der behördlichen Empfehlungen zum Abstand menschlichen Miteinanders.

Es gehe darum, den Musikern neue Auftrittsräume jenseits der großen Häuser zu erschließen, erklärt Geschwind, das könne eine Nische in einer Fußgängerzone sein, ein Plätzchen in einem Park oder, so wie an diesem Freitag im April, in einem privaten Garten. Eigentlich sei es die Weiterentwicklung ihres Tourneekonzeptes, das sie erst letztes Jahr zur Auflage ihrer neuen CD „Ton in Ton“ geplant hätten. Nur mit Fahrrad und Bus unterwegs, wollten sie „ganz klimafreundlich“, ab dem 29. Juni drei Wochen lang 21 Konzerte von Recklinghausen bis Celle geben. Und die meisten davon unter freiem Himmel.

Neben einer transportablen, mit Sonnenenergie gespeisten Tonanlage ist in den Anhängern ihrer englischen Lastenklappräder noch Platz für Bekleidung, Gitarre, Trompete, Tuba und 30 faltbare Papphocker. Die braunen Sitzgelegenheiten bilden das Kernstück des Openair-Konzertsaales, den Susanne Riemer mit einem blauen Band aus einem ausgedienten Bettlaken abspannt. Die Hocker sollen die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von zwei Metern garantieren, den sie zunächst mittels Schrittweite, später dann, noch genauer, mit Hilfe eines Zollstocks ausmessen.

Das Tragen von Mund- und Nasenmasken werde von den Zuhörern gefordert und die Konzertdauer auf kurze 20 Minuten beschränkt. Und sie überlegen sogar mit Abbruch eines Konzert zu drohen, sollten sie die Hygienemaßnahmen verletzt sehen und die Androhung gegebenfalls auch in die Tat umzusetzen.

Am Freitag sind es noch stumme Zuhörer, nämlich ein Plastikkalb, Froschkönig, Eichhörnchen, ein Entchen und ein Buddha im Lotussitz, die nach kurzem Einstöpseln und Stimmen den groovenden Klängen von Geschwinds Gitarre, dem Gesang und den Trompetenklängen von Susanne Riemer beiwohnen. Schnell improvisiert Riemer auf Kölsch eine neue Liedzeile für „Chille in Kölle“ und erzählt darin schon mal von ihrer Zukunftsvision, vom großen Konzert bei Sicherheitsabstand. 

Jetzt hoffen die zwei, dass städtische Behörden und Gesundheitsämter Einsehen in den sicheren Betrieb ihrer Straßen- und Parkkonzerte haben und die erforderlichen Genehmigungen erteilen. 

Hundsprobe

https://vimeo.com/416938836

Virtuelle Chorprobe im Lockdown mit Eddi Hüneke

Jeder singt für sich

Eigentlich wollte Eddi Hüneke an diesem Samstagnachmittag Anfang April in der Hürther Friedenskirche einen seiner Chorworkshops „Eddi plus Chor“ durchführen. Rund 100 Anmeldungen von Sängern und Sängerinnen habe er hierzu schon erhalten, schildert das Gründungsmitglied der A-cappella-Band „Wise Guys“ in einem Gespräch im Garten seines Hauses in Hermülheims Nibelungenviertel.

Es sei ja nun „alles anders“ gekommen, und neben der Anberaumung eines Ersatztermines für Probennachmittag und anschließendem Konzert am 29. August in der Friedenskirche habe er im Keller schon alle Vorbereitungen für eine virtuelle Chorprobe getroffen. Es sei hoffentlich ein „Ausgleich in dieser langweiligen Zeit“. Freilich eine Probe mit experimentellem Charakter, denn „Chorarbeit online“ könne man nicht wirklich anbieten, räumt Hüneke ein. Beim für das Singen erforderlichen Timing kämpfe jeder der beteiligten Rechner und Übertragungssysteme mit einer anderen Latenz, also Zeitverzögerung.

Die technischen Schwierigkeiten habe schon ein erstes Experiment mit einem kleinen Chor aus Kürten zu Beginn des Shutdowns aufgezeigt, schildert Hüneke. Da habe es außerdem viele Rückkopplungen gegeben, als alle ihre Mikrofone freischalteten. Da ein miteinander Singen also technisch unmöglich sei, versuche er zumindest die Illusion eines gemeinsamen Singens zu erzeugen, schildert Hüneke.

Wie das geht erfahren an diesem Nachmittag etwa 25 Teilnehmer, die sich auch paarweise von zu Hause eingewählt haben, viele nutzen die Webcam, um sich mit dem Chorleiter zu vernetzen. Hüneke sieht sie als mehr oder weniger scharf gezeichnete Gesichter auf dem Bildschirm seines Laptops, das er an der Tastatur seines Keyboards aufgebaut hat.

„Hallo Bernd, Kathi, Pia, Maria, da kommen plötzlich ganz viele“, bemerkt Hüneke. „Ah, ich hör was, wunderbar“, meldet sich eine Frau zu Wort. Bevor die Gesangsstunde los geht, beantworten die Teilnehmer aus Hürth, aus Düsseldorf, aus Köln gleich noch einen eingeblendeten Fragenkatalog. Die wohl wichtigste Information für den Chorleiter: es sind viele Sopran-, einige Altstimmen, nur wenige Bassisten und kein Tenor online: „Na, eben das übliche Bild in Chören.“

„Keiner kann euch hören, keiner braucht sich zu schämen.“

Eddi Hüneke bei der virtuellen Chorprobe im Lockdown

Wie scheußlich es sich anhört, wenn alle bei offenen Mikrofonen die Liedzeile „Doch dieser Engel ist da/ um dich zu schützen und zu halten…“ aus einem alten „Wise Guys“-Song singen, hat Hüneke schnell mit einer Einstellung in der Konferenzsoftware demonstriert. Und so meckert auch keiner seiner „Versuchskaninchen“, als er verkündet, „ich muss euch stummschalten, das klingt gemein“. Das heiße aber auch: „Keiner kann euch hören, keiner braucht sich zu schämen.“ 

Stumm schalten, nur mit diesem Trick kann die Illusion eines gemeinsamen Singens funktionieren, hat Hüneke herausgefunden. Ein einstmals für ein anderes Chorprojekt vierstimmig aufgenommenes Backingtrack von „Ein Engel“ muss für diesmal die Chorstimmen für jeden einzelnen ersetzen. Zusätzlich hören die Teilnehmer Hünekens Gesang und sein Keyboard, wenn er die Töne für den Engel-Refrain Stimmlage für Stimmlage mit den Workshopteilnehmern durchgeht, mal abgesehen vom fehlenden Tenor.

Für Rückmeldungen und Einzeldialoge können sich die Teilnehmer mit Drücken der Leertaste zuschalten. Da meldet sich Uwe zu Wort: „Meine Frau neben mir ist zu laut.“ „Da ist ein Regler am Ohr, um sie leiser zu stellen“, scherzt Hüneke. Alexander fragt nach dem Takt für den ersten Refrain, Beate ist der Rhythmus nicht ganz klar. „Ich bin überfordert“, fasst sich eine mit beiden Händen an den Kopf. „Es macht gerade richtig Spaß“ meldet eine andere zurück. Das Rhythmusgefühl eines jeden einzelnen kann Hüneke noch unter Zuschaltung eines Metronoms schulen. „Ich übe gerne mit Metronom, ein Superinstrument um rhythmisch präziser zu werden“, wirbt er für den vielfach ungeliebten Rhythmusgeber.

Und spenden sich die Teilnehmer nach dem Durchsingen des Liedes zum Schluss auch gegenseitig Applaus und bekräftigen die Lehrstunde mit „es hat doch Spaß gemacht“. So zieht Hüneke zum Ende der „historischen Stunde“ doch ein ehrliches Fazit: es sei nämlich „total bescheuert“ sich nur zu „erahnen“, statt sich in einem Raum „zu hören und zu sehen“.