Konzerte mit Abstand unter freiem Himmel

Das Musiker-Duo Riemer/Geschwind hat seinen Plan im Garten ausprobiert

Brühl. Der Anfang des Jahres so gut gefüllte Terminkalender sei durch verschärfte Kontaktregeln geleert, große Konzerthäuser und kleine Klubs blieben geschlossen, schildert der Gitarrist Wilhelm Geschwind einen Zustand, von dem viele Musiker derzeit erzählen. Auch ihre Arbeit mit dem Chor an der Brühler Kunst- und Musikschule ruhe in der momentan verordneten Zwangspause, ergänzt die Jazzerin Susanne Riemer. 2000 Euro, die die Bezirksregierung zum Auffangen geplatzter Konzertverträge überwiesen habe, reichten auch nicht ewig.

So könne es nicht weitergehen, ist sich das Duo Riemer/ Geschwind einig. Im Garten der Jazztrompeterin trafen sie sich zu einem ersten Ausprobieren eines neuen Konzertkonzeptes, das sie „Brot und Stühle“ getauft haben, und zwar unter „virenfreien, offenem Himmel“, wie Wilhelm Geschwind formuliert. Und das unter Berücksichtigung der behördlichen Empfehlungen zum Abstand menschlichen Miteinanders.

Es gehe darum, den Musikern neue Auftrittsräume jenseits der großen Häuser zu erschließen, erklärt Geschwind, das könne eine Nische in einer Fußgängerzone sein, ein Plätzchen in einem Park oder, so wie an diesem Freitag im April, in einem privaten Garten. Eigentlich sei es die Weiterentwicklung ihres Tourneekonzeptes, das sie erst letztes Jahr zur Auflage ihrer neuen CD „Ton in Ton“ geplant hätten. Nur mit Fahrrad und Bus unterwegs, wollten sie „ganz klimafreundlich“, ab dem 29. Juni drei Wochen lang 21 Konzerte von Recklinghausen bis Celle geben. Und die meisten davon unter freiem Himmel.

Neben einer transportablen, mit Sonnenenergie gespeisten Tonanlage ist in den Anhängern ihrer englischen Lastenklappräder noch Platz für Bekleidung, Gitarre, Trompete, Tuba und 30 faltbare Papphocker. Die braunen Sitzgelegenheiten bilden das Kernstück des Openair-Konzertsaales, den Susanne Riemer mit einem blauen Band aus einem ausgedienten Bettlaken abspannt. Die Hocker sollen die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von zwei Metern garantieren, den sie zunächst mittels Schrittweite, später dann, noch genauer, mit Hilfe eines Zollstocks ausmessen.

Das Tragen von Mund- und Nasenmasken werde von den Zuhörern gefordert und die Konzertdauer auf kurze 20 Minuten beschränkt. Und sie überlegen sogar mit Abbruch eines Konzert zu drohen, sollten sie die Hygienemaßnahmen verletzt sehen und die Androhung gegebenfalls auch in die Tat umzusetzen.

Am Freitag sind es noch stumme Zuhörer, nämlich ein Plastikkalb, Froschkönig, Eichhörnchen, ein Entchen und ein Buddha im Lotussitz, die nach kurzem Einstöpseln und Stimmen den groovenden Klängen von Geschwinds Gitarre, dem Gesang und den Trompetenklängen von Susanne Riemer beiwohnen. Schnell improvisiert Riemer auf Kölsch eine neue Liedzeile für „Chille in Kölle“ und erzählt darin schon mal von ihrer Zukunftsvision, vom großen Konzert bei Sicherheitsabstand. 

Jetzt hoffen die zwei, dass städtische Behörden und Gesundheitsämter Einsehen in den sicheren Betrieb ihrer Straßen- und Parkkonzerte haben und die erforderlichen Genehmigungen erteilen. 

Hundsprobe

https://vimeo.com/416938836

Virtuelle Chorprobe im Lockdown mit Eddi Hüneke

Jeder singt für sich

Eigentlich wollte Eddi Hüneke an diesem Samstagnachmittag Anfang April in der Hürther Friedenskirche einen seiner Chorworkshops „Eddi plus Chor“ durchführen. Rund 100 Anmeldungen von Sängern und Sängerinnen habe er hierzu schon erhalten, schildert das Gründungsmitglied der A-cappella-Band „Wise Guys“ in einem Gespräch im Garten seines Hauses in Hermülheims Nibelungenviertel.

Es sei ja nun „alles anders“ gekommen, und neben der Anberaumung eines Ersatztermines für Probennachmittag und anschließendem Konzert am 29. August in der Friedenskirche habe er im Keller schon alle Vorbereitungen für eine virtuelle Chorprobe getroffen. Es sei hoffentlich ein „Ausgleich in dieser langweiligen Zeit“. Freilich eine Probe mit experimentellem Charakter, denn „Chorarbeit online“ könne man nicht wirklich anbieten, räumt Hüneke ein. Beim für das Singen erforderlichen Timing kämpfe jeder der beteiligten Rechner und Übertragungssysteme mit einer anderen Latenz, also Zeitverzögerung.

Die technischen Schwierigkeiten habe schon ein erstes Experiment mit einem kleinen Chor aus Kürten zu Beginn des Shutdowns aufgezeigt, schildert Hüneke. Da habe es außerdem viele Rückkopplungen gegeben, als alle ihre Mikrofone freischalteten. Da ein miteinander Singen also technisch unmöglich sei, versuche er zumindest die Illusion eines gemeinsamen Singens zu erzeugen, schildert Hüneke.

Wie das geht erfahren an diesem Nachmittag etwa 25 Teilnehmer, die sich auch paarweise von zu Hause eingewählt haben, viele nutzen die Webcam, um sich mit dem Chorleiter zu vernetzen. Hüneke sieht sie als mehr oder weniger scharf gezeichnete Gesichter auf dem Bildschirm seines Laptops, das er an der Tastatur seines Keyboards aufgebaut hat.

„Hallo Bernd, Kathi, Pia, Maria, da kommen plötzlich ganz viele“, bemerkt Hüneke. „Ah, ich hör was, wunderbar“, meldet sich eine Frau zu Wort. Bevor die Gesangsstunde los geht, beantworten die Teilnehmer aus Hürth, aus Düsseldorf, aus Köln gleich noch einen eingeblendeten Fragenkatalog. Die wohl wichtigste Information für den Chorleiter: es sind viele Sopran-, einige Altstimmen, nur wenige Bassisten und kein Tenor online: „Na, eben das übliche Bild in Chören.“

„Keiner kann euch hören, keiner braucht sich zu schämen.“

Eddi Hüneke bei der virtuellen Chorprobe im Lockdown

Wie scheußlich es sich anhört, wenn alle bei offenen Mikrofonen die Liedzeile „Doch dieser Engel ist da/ um dich zu schützen und zu halten…“ aus einem alten „Wise Guys“-Song singen, hat Hüneke schnell mit einer Einstellung in der Konferenzsoftware demonstriert. Und so meckert auch keiner seiner „Versuchskaninchen“, als er verkündet, „ich muss euch stummschalten, das klingt gemein“. Das heiße aber auch: „Keiner kann euch hören, keiner braucht sich zu schämen.“ 

Stumm schalten, nur mit diesem Trick kann die Illusion eines gemeinsamen Singens funktionieren, hat Hüneke herausgefunden. Ein einstmals für ein anderes Chorprojekt vierstimmig aufgenommenes Backingtrack von „Ein Engel“ muss für diesmal die Chorstimmen für jeden einzelnen ersetzen. Zusätzlich hören die Teilnehmer Hünekens Gesang und sein Keyboard, wenn er die Töne für den Engel-Refrain Stimmlage für Stimmlage mit den Workshopteilnehmern durchgeht, mal abgesehen vom fehlenden Tenor.

Für Rückmeldungen und Einzeldialoge können sich die Teilnehmer mit Drücken der Leertaste zuschalten. Da meldet sich Uwe zu Wort: „Meine Frau neben mir ist zu laut.“ „Da ist ein Regler am Ohr, um sie leiser zu stellen“, scherzt Hüneke. Alexander fragt nach dem Takt für den ersten Refrain, Beate ist der Rhythmus nicht ganz klar. „Ich bin überfordert“, fasst sich eine mit beiden Händen an den Kopf. „Es macht gerade richtig Spaß“ meldet eine andere zurück. Das Rhythmusgefühl eines jeden einzelnen kann Hüneke noch unter Zuschaltung eines Metronoms schulen. „Ich übe gerne mit Metronom, ein Superinstrument um rhythmisch präziser zu werden“, wirbt er für den vielfach ungeliebten Rhythmusgeber.

Und spenden sich die Teilnehmer nach dem Durchsingen des Liedes zum Schluss auch gegenseitig Applaus und bekräftigen die Lehrstunde mit „es hat doch Spaß gemacht“. So zieht Hüneke zum Ende der „historischen Stunde“ doch ein ehrliches Fazit: es sei nämlich „total bescheuert“ sich nur zu „erahnen“, statt sich in einem Raum „zu hören und zu sehen“.

„Ton in Ton“ ganz nah

Susanne Riemer und Wilhelm Geschwind spielen Lieder vom guten Leben

Für Stunden zu zweit oder auch alleine brachte Susanne Riemer selbst in den letzten Wochen auf dem Fahrrad die allerneueste CD des Duos Riemer/ Geschwind mit dem Titel „Ton in Ton“ zu potentiellen Interessenten. Bei diesen Begegnungen war sie immer auf Mindestabstand bedacht. Ganz nahe, zumindest akustisch, kommt man ihr dagegen in zwölf Kompositionen aus ihrer Feder aufgenommen und gemischt vom mehrfachen Grammypreisträger, dem Tontechniker Klaus Genuit, bekannt aus seiner Arbeit mit der WDR-Bigband.

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Angela Lentzen und ihr Verzicht auf Kitsch

Auch zum Bandjubiläum leisteten die Jungs keinen Widerstand

All jenen, die zu jung sind, einen Partykeller aus eigener Anschauung zu kennen, erklärt Angela Lentzen gerne diesen Kellerraum im frisch gebauten Einfamilienhaus der 1970er Jahre, der gerne in Holzvertäfelung ausgestaltet wurde: „Ein Raum, den die Eltern eigens dafür gebaut hatten, um ihre Partys zu feiern.“

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Abschied von der Brühler Milchbar

Beim Abtransport ging es um Zentimeter

Zum Abschied von der Milchbar am Samstagabend herrschte Volksfeststimmung am Kaufhof vor der Absperrung zur Carl-Schurz-Straße. Kostenlose Getränke und Häppchen servierte hier der Landschaftsverband Rheinland. Musiker Charly Manderscheidt spielte Rock ‚n‘ Roll, die Beatles und was zum Schunkeln. Herbert Poetes, der als Vorsitzender der Museumsgesellschaft damals dem Leiter des Freilichtmuseums, Josef Mangold, den Impuls zum Erhalt der Milchbar gab, tanzte mit Elke Feuster Jive.

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Absinto Orkestra – ja was spielen die denn nun?

Sieben-Viertel-Rhythmus mit Orchester und dem Sologitarristen Joscho Stephan

Was spielen die denn nun, Klezmer oder Balkan? Die Frage hätten sie nun schon so oft gehört und nie hätten sie es beantworten können, versichern Joachim Schappert und Stefan Ölke. „Irgendwie“ habe sich ihr eigenes Ding entwickelt, sagen die zwei Gitarristen, die schon vor der Gründung des Absinto Orkestras gemeinsam musizierten, und das noch bevor die „Balkanhochzeitsbandwelle“ mit Fanfare Ciocarlia als einem ihrer prominentesten Vertreter den Dancefloor geflutet habe. Genau gesagt sei die Band aus einem Theaterprojekt am Rüsselsheimer Stadttheater entsprungen, dem Musizieren zum Stück „Vogels Hochzeit“.

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Abschied von der Peter-Orgel, zu viele Töne fielen aus

Erste Pfeifen während des Musizierens ausgebaut

Noch während der Kantor Marc Gornetzki mit aufgesetztem gelben Schutzhelm das letzte Stück des Abschiedskonzertes von der alten Orgel spielt, „For Auld Lang Syne“, bekannt unter dem deutschen Titel „Nehmt Abschied, meine Brüder“ begannen die Orgelbauer Hubert Fasen und sein Assistent Walter Friehs mit der Demontage. Die ersten großen Pfeifen legen sie auf den Boden neben das Instrument. Allen in der evangelischen Kirche der Versöhnung, die am Samstagabend als Zuhörer und singende Gemeinde die letzten Orgeltöne der 1973 gebauten und nach ihrem Erbauer ernannten Peter-Orgel hören, ist das mehr als nur ein Symbol. Der Abbau der alten Orgel hat damit wirklich begonnen. Am Montag und Dienstag wollen die Orgelbauer die Demontage vollenden.

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